Etappe 39: Endloses Russland - von Omsk nach St. Petersburg

Endloses Sibirien. Auf der 39. Etappe fahren unsere Teilnehmer von Omsk nach St. Petersburg. Von Verkehrschaos, russischen Ordnungshütern und einer Beinahe-Begegnung mit Quentin Tarantino berichtet ein Teilnehmer: 

Unser Abenteuer startet mitten in Sibirien. Der kurze Flug nach Moskau hat noch fast europäische Ausmaße. Doch die mehrstündige Flugreise von Moskau nach Omsk macht uns die unendlichen Dimensionen Russlands bewusst.

Am frühen Morgen landen wir in Omsk. Das Flughafenareal ist riesig. Das Terminalgebäude ist erst am Horizont schemenhaft erkennbar. Unser Flieger parkt auf dem Vorfeld. Zu unserem Erstaunen setzt uns der Shuttlebus jedoch nicht am Terminal, sondern formlos an einem Tor in der Umzäunung ab. Das Gepäck gibt es in einer kleinen Halle daneben.

Mit dem Taxi fahren wir zum Hotel, hier warten schon die XWORLD Fahrzeuge frisch geputzt auf ihren Einsatz. Auch der bei der letzten Etappe mit leichtem Getriebeschaden ausgefallene Cruiser ist wieder repariert. Uns gibt dieser Umstand noch etwas Zeit für Stadtbesichtigung, Ausruhen und Einkäufe für unsere Fahrt zurück nach Europa. Ziel ist St. Petersburg.

Kurz hinter Omsk verzweigt sich die Hauptverbindungsstrecke, die quer durch Russland geht. Der südliche Teil führt jedoch kurz durch Kasachstan. Wir wollen den zusätzlichen Grenzübertritt vermeiden und wählen die nördliche Variante Richtung Perm.
Da sind wir nicht die einzigen – auf dieser Strecke ist unglaublich viel Verkehr. Jede Art von Fahrzeug möchte samt Ladung so schnell wie möglich von Ost nach West und umgekehrt. Die Fahrzeuge sind jedoch unterschiedlich schnell, hier treffen mit Baumstämmen beladene Lastwagen aus der Sowjetzeit auf Gebrauchtwagenüberführer aus Wladiwostok und Cayenne Turbo mit tief getönten Scheiben auf Trucker in Konkurrenz mit der Transsibirischen Eisenbahn. Dazu kommen tiefe Spurrillen, Schlaglöcher und Pannenfahrzeuge mitten auf der Fahrbahn. Und wir mittendrin. Damit dieses bizarre Rennen nicht allzu stark ausartet, ist die Polizei mit Radarpistolen zahlreich vertreten. Wie in Deutschland oft an Stellen mit Geschwindigkeitsbegrenzungen, lauert die Rennleitung gut getarnt in der Vegetation.

Durch die Warnungen der entgegenkommenden Fahrzeuge und Thomas´ sechsten Sinn bleiben wir ungeschoren. Im Camp beschließen wir am nächsten Tag die Hauptstrecke zu verlassen und – obwohl sich der russische Straßenatlas bei den letzten Etappen nur als eine sehr grobe Interpretation des tatsächlichen Straßenzustands erwiesen hat – eine Route noch weiter im Norden zu wählen.

Perm können wir auf einer neuen Umgehungsstraße umfahren und als unser nächstes Ziel Kurgan tatsächlich ausgeschildert ist, steigt unser Optimismus. Aber zunächst muss gefrühstückt werden. Wir finden eine Truckerkneipe, die stark an den Tarantino Film „From Dusk Till Dawn“ erinnert. Nachdem heller Tag ist, glauben wir auf der sicheren Seite zu sein und versuchen wieder einmal Rührei mit Speck zu bestellen. Wie jedes Mal vergeblich, aber der Reis mit Fleischresten und Gemüse ist auch lecker. Nach zwei Portionen sind wir alle satt. Gestärkt geht es weiter in den Ural.

Endlich ändert sich die Landschaft. Nach mehreren Fahrtagen durch die doch etwas eintönige Taiga sind die geschwungenen Hügel des Ural eine willkommene Abwechslung. Wir fahren durch tiefe Wälder und entlang ursprünglicher Flüsse. Die Überquerung des Uralhauptkamms ist unspektakulär und trotzdem ein bemerkenswerter Meilenstein für die XWORLD – nach fast eineinhalb Jahren und vielen 10.000 Kilometern kehren die Landcruiser nach Europa zurück. Wir kaufen frische Steinpilze am Straßenrand und feiern dies mit einem hervorragenden Abendessen. Den Abend lassen wir am Lagerfeuer mit einer in den Autos gefundenen Flasche Scotch (vielen Dank dem Spender) ausklingen.

Am nächsten Tag steht unsere erste Begegnung mit den hiesigen Ordnungshütern an: Beim Überholen eines Lastwagens überquert ein Teilnehmer die weiße Linie – sofort wird er raus gewunken. Nach einem kurzen Plausch dürfen wir jedoch unbehelligt weiterfahren. Wir sind überrascht – hatten wir doch über die russische Polizei und ihren etwas fordernden Umgang gerade mit Ausländern wahre Schauermärchen gehört. Dass diese netten Polizisten kein Einzelfall sind, zeigt sich als ein weiterer Teilnehmer mit überhöhter Geschwindigkeit gestoppt wird: Wir zeigen kurz die Papiere, es folgt eine mimische Drohung des Halsabschneidens als Mahnung für den Wiederholungsfall und schon dürfen wir weiterfahren.

Auf unserer Nordroute ist deutlich weniger Verkehr und wir kommen gut voran – so bleibt genug Zeit für einen ausgiebigen Besuch der Metropole Moskau. Das Hotel mitten im Zentrum haben wir auf der Karte schnell gefunden. Doch so leicht lässt sich die Zehn-Millionen-Stadt nicht durchfahren. Wir umkreisen das Hotel für eine gute Stunde. Erst ein mutiges Wendemanöver auf der zehnspurigen Ringstraße bringt uns den entscheidenden Schritt näher – ja wir haben uns an die russische Fahrweise gewöhnt. Obwohl die Moskauer an auffällige Fahrzeuge gewohnt sind – vom überlangen Hummer über Stretchlimousinen bis hin zum matt orangefarbenen Audi Q7 – die bunt beklebten XWORLD Autos sind selbst hier ein Hingucker.

Den nächsten Tag erkunden wir die Stadt. Roter Platz, Kreml, Kathedrale, U-Bahn und natürlich durch die Feinkostabteilung des Magazin Gum schlendern, gehört einfach dazu. Da wir viel über die Kriminalität in Moskau gehört haben, sind wir zuerst etwas vorsichtig. Jedoch ist die Stimmung entspannt, die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Und so ist das Schlendern durch die Stadt ein beeindruckendes und abwechslungsreiches Erlebnis.

Wenn man es eilig hat, ist es nach St. Peterburg auf der Hauptverbindung nur noch ein langer Fahrtag. Wir haben es nicht eilig und wollen uns auf Nebenstrecken nach Norden durchschlagen. Wieder einmal erweist sich unser Atlas als der beste Weg mitten ins Abenteuer: die eingezeichneten Strecken gibt es nicht, nicht mehr oder noch nicht. Wir fahren durch idyllische Landschaften und kleine Weiler und passieren eine Hand voll reich verzierter Holzhäuser mit bunten Zäunen. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Der Tagesablauf hat sich wohl seit der Zarenzeit nur wenig geändert. Ob Revolution, Sowjetregime, Turbokapitalismus oder Finanzkrise – die Menschen leben sehr bescheiden von der Landwirtschaft.

Die Wege werden immer kleiner, die Schlammkuhlen größer – Untersetzung, Sperre und plötzlich stecken wir wieder mal in einem Abenteuer – richtig schön tief im Schlamm. Zunächst helfen noch die Bergungsgurte, bald jedoch sind Schaufeln und Seilwinden gefragt – UND Fenster gaaaanz schnell zumachen…
Mit vollkommen verschlammten Fahrzeugen kommen wir an unserem Camp am See an. Auch an uns klebt der Schlamm – nur Phillip scheint mit Teflon beschichtet zu sein. Kein einziger Fleck haftet an ihm. Wie schafft er das bloß?

Bevor wir uns St. Petersburg anschauen, bringen wir die Autos für die nächste Etappe auf Vordermann. Die Kupplung des Himalaya schwächelt. Nach einigem Suchen finden wir eine Werkstatt, die bis zum Start der nächsten Etappe eine neue einbaut. In einer Waschhalle schrubben begeisterte Kasachen bis die XWORLD Flotte wieder blitzt und blinkt.

Schon die Fahrt in die Innenstadt gibt einen Eindruck von der Größe und Pracht der Zarenstadt. Nach einer kurzen Dusche mischen wir uns unter die Nachtschwärmer, schlendern wir über die Haupteinkaufsstraße und lassen den Tag auf der Veranda eines italienischen Restaurants ausklingen.

Ein Tag ist viel zu kurz, um St. Petersburg zu erkunden. Aber wenigstens bekommen wir einen Eindruck und der ein oder andere beschließt wieder zu kommen. Dann heißt es auch schon Abschied nehmen von der XWORLD und eine gute Rückkehr nach Bremen!
Ach, wir wären so gerne bei der Fahrt zum Nordkap dabei. Viel Spaß und sichere Fahrt auf der nächsten Etappe!