XWORLD-Etappe 3: Abenteuer am Schwarzen Meer – von Istanbul nach Astrakhan

Über die Karpaten Rumäniens und endlosen Weiten der Ukraine und Russlands bis ans Kaspische Meer führte die dritte Etappe der XWORLD-Tour 2008/2009. Ein Reisebericht der Teilnehmer, die mit Land Cruisern von Istanbul bis nach Astrakhan fuhren. Und dabei Pannenhilfe leisteten und reich bewirtet wurden.

„Es wird anstrengend, soviel ist klar. 2500 Kilometer in einer Woche: Geländewagen sind das richtige Reisemittel für Europas neuen Osten entlang am Schwarzen Meer, denn da warten Schlaglöcher und Straßen ohne Asphalt. Unsere Reise – die dritte Etappe der XWORLD-Tour - beginnt in Istanbul. Die quirlige Stadt am Bosporus mit der nachts in immer anderen Farben leuchtenden Brücke versprüht Charme gemischt mit orientalischer Gemütlichkeit. Das merken wir am ersten Tourtag, als wir unsere Fahrzeuge aus dem Zoll am Flughafen holen wollen. Gefühlte hundert Mal haben die Tourleiter die Pässe in der Hand. Es fehlt die Steuernummer der Firma HANSA-FLEX oder der Vorname des Vaters von einem der Fahrer. Gottlob wurde vorher ein Dolmetscher engagiert, der alles richten kann. Die Prozedur verläuft freundlich, aber langatmig.

Dann geht es endlich los. Auf der Autobahn Richtung Edirne, dann über Kirklareli bis Aziziye. Ziel ist „Bulgaristan“, wie das nördliche Nachbarland auf Türkisch heißt. Oben haben die Türken noch ein „güle, güle“-Schild angebracht, „good bye“ steht für Ausländer darunter. Die Bulgaren bemühen sich mit einem Satz in Deutsch: „Schön willkommen.“ Die Autos rollen durch ein Tauchbad aus Chlorwasser zum Desinfizieren. Entlang des Schwarzen Meeres geht es bis Sosopol, einer der ältesten Siedlungen der Gegend. Auf der Halbinsel südlich von Burgas werden alte Holzhäuser repariert, flicken Fischer die Holzboote, serviert eine Blondine, die drei Sätze Deutsch kann, im Agalinakafe (Milet 2) ihren schwarzen Kaffee. Dazu wirft sie längliche Zuckerbeutel auf den Tisch, die sofort zum Sammelobjekt werden. Süßes in nachgedruckten Euroscheinen, vom Fünfer bis zum Fünfhunderter – das ist lustig. Die Nacht verbringt die Gruppe in der neuen Ferienanlage Santa Marina Holiday Village mit Meerblick und einem grandiosen Sternenhimmel.

Am nächsten Tag gibt es Picknick und ein paar steile Waldwege, die den ersten Gang im Getriebe fordern, aber noch keine Untersetzung. Das kommt später. Geländewagen gehören eben ins Gelände, und das lässt sich hier gut ausprobieren. Die Grenze zu Rumänien ist bei Mangalia rasch überquert. Eine riesige Werft und die Kriegsmarine ziehen die Blicke an. Auch der Hafen von Constanta ist sehenswert, die Stadt allerdings hat noch unter den Plattenbauten zu leiden. Mamaia ein paar Kilometer weiter nördlich ist das Ziel der Etappe mit dem Fünfsternehotel Rex direkt am Strand. Schön, wie die sechs vom Schlamm bespritzten HANSA-FLEX-Fahrzeuge sich da wie Perlen vor dem vornehmen weißen Haus aufreihen, links vom roten Teppich. Einige Mutige der Gruppe wagen nach der Übernachtung morgens noch ein paar Schwimmzüge im Schwarzen Meer, um dann sagen zu können: Ich war drin. Gefühlte Grad: elf.

Morgens wieder ein paar Schlammanteile bei der Fahrt durch die Feldmark, vorbei an winkenden Rumänen – das verblüfft sie immer, so einen Konvoi aus bunten Autos zu sehen, an denen irgendetwas mit WORLD steht. Eine Autofähre bringt unsere Geländeautos sicher über die Donau; wir rollen weiter nach Bukarest. Dort stoppen wir zunächst an der HANSA-FLEX-Zentrale am Rande der Stadt; ein roter Einsatzwagen von HANSA-FLEX mit allen wichtigen Schlauchverbindungen und Teilen stößt zu unserer Kolonne. Die Fahrt durch Bukarest ist eine echte Herausforderung - zum Glück ist jedes Fahrzeug mit Funk ausgerüstet, so dass sich auch bei roten Ampeln niemand verloren vorkommt.

Am nächsten Morgen geht es auf Waldwegen hinauf in die Karpaten – genau das richtige für Allradfans. Wer die Untersetzung im Getriebe mal einlegen will, mit viel Gas durch Schlamm und über Schotter fährt, findet unzählige Steigungsstrecken. Die Gruppe wird durch Hohlwege im Wald geleitet, bei denen die Spiegel eingeklappt werden müssen und die Geländeuntersetzung gelegt werden sollte. Denn die Wege bestehen oftmals aus knietiefem Matsch – der Winter hält sich lange in den bis zu 2500 Meter hohen Karpaten.

Doch auf der Strecke Richtung Norden muss der Konvoi umdrehen. Zuviel Geröll im Fluss, das sich nicht einfach mal wegschieben lässt. Wir drehen um – und wundern uns, dass uns plötzlich vier Rumänen zu Fuß entgegenkommen. Nach einer Kurve in 1.080 Metern Höhe löst sich das Rätsel: Ihr dreiachsiger Scania-Holzlastwagen steckt auf der linken Seite bis zu den Achsen im Schlamm und versperrt die Durchfahrt. Die ist nur so breit wie das Auto. Also heißt es umkehren, die vier aufsammeln und den Wagen herausziehen...

Zwei Stunden dauert die Aktion. Wir legen Seilwinden und Haltebänder an; es werden immer mehr XWORLD-Fahrzeuge, die sich beteiligen. Doch es nützt nichts: Beim letzten Schleppversuch gibt es nur noch einen Schlag und ein Zischen - die Kardanwelle des Lastwagens ist gebrochen. Das ist das endgültige Aus. Der Konvoi nimmt die vier Waldarbeiter mit ins Tal und muss bis zum Hotel in Sighisoava einen Umweg fahren.
Am nächsten Morgen führt uns unsere Route Richtung Moldawien zu den bekannten Klöstern über einen Pass und durch eine Schlucht. Lacu Rosu heißt die eindrucksvolle Gegend, durch die sich die Hochstraße schlängelt. Zwischen den Tannen ist dann der Blick frei auf die hohen Granitfelsen, unten plätschert der Fluss. Dann endlich nach vielen Dörfern mit Störchen, die gern auf Strommasten links und rechts der Straße nisten, das erste Kloster: Bistrita. Fürst Alexander der Gute ließ es um 1400 errichten. Ikonen, Manuskripte und ein Altar im dunklen Turm – nur bei Blitzlicht zu erkennen – verleihen dem Ort ein wenig Gefühl von Ewigkeit.

Dann kommt das Ende der EU: die Grenze zu Moldawien. Sculeni heißt der Grenzort, und irgendwo beim Dorf Bahmut senkt sich die Sonne, so dass ein Camp für die Nacht gesucht wird. Unten ruht ein See, an den ein aufgeschreckter Landbesitzer, der in seinem Lada heranprescht, die Gruppe verweist. Kochen im Scheinwerferlicht, essen am Campingtisch mit gutem Rotwein. Lagerfeueridyll ein paar Meter weiter, damit die Funken nicht die Zelte löchern. Das gehört zur Romantik einer Abenteuerfahrt. In der Ferne klappert ein Güterzug über die Gleise, sonst Stille. Etwas Geschichte gibt es gratis vom Landbesitzer: Oben an den Hügeln nicht weit vom Camp trafen vor mehr als 63 Jahren russische und deutsche Panzer zusammen. Die russische Armee drängte die deutschen Truppen zurück. Und welche Geste zeigt der junge Moldawier am nächsten Morgen: Er bringt einen Topf mit warmer Milch und einen Käsejoghurt aus der Küche seiner Mutter.

Kiew heißt das nächste Etappenziel, doch auf dem Weg in die westlichste aller Osthauptstädte Europas liegt noch ein kleines Land, das es offiziell gar nicht gibt: Transnistrien. Es hat sich von Moldawien abgespalten, ist anderthalb mal so groß wie das Saarland, hat einen Obersten Sowjet und einen Präsidenten namens Igor Smirnow, der sich blendend mit Moskau versteht. In diesem Rückzugsraum des Sozialismus sind Touristen seit ein paar Wochen höchst willkommen. Die Einreise ist vereinfacht worden. Daher entscheidet die Tourleitung, einen Abstecher in dieses kuriose Land ins Programm zu nehmen – zusätzlich.

Im Land zeigen sich Szenen, wie sie sonst kaum zu erleben sind: Auf der Fleischtheke stehen Schweineohren zum Verkauf; während sonst kyrillische Schrift vorherrscht, ist plötzlich ein Schild mit der Aufschrift „Second hand“ zu sehen; in einem kleinen Dorf werden wir nach anfänglicher Skepsis aufgenommen wie Freunde und bewirtet. Irgendwann müssen wir weiter – Richtung Ukraine. Dort sind zeitweise sogar deutsche Grenzschützer im Einsatz, die als Hilfe der EU mal zeigen sollen, was eine flotte und einfache Abfertigung bedeutet. Das allerdings ist noch nicht so recht gelungen. Es gibt Wartezeiten. Der Rauschgifthund muss an jedem Auto schnüffeln

Dann endlich kommt die Ukraine. Wir kommen flott voran – die Autobahn von Odessa nach Kiew ist gut ausgebaut. Am achten Etappentag erreichen wir wie geplant die Dreimillionenmetropole am Djnepr. Vier Tage liegen jetzt nur noch vor uns. Sie führen uns Offroad durch den Osten der Ukraine, wo wir nahe Dneprpetrowsk einen genialen Campplatz finden, wieder an einem See. Nachdem noch genug Proviant  nebst Feuerholz bei den netten Dorfbewohnern beschafft wurde, ließen wir den Tag am Lagerfeuer Revue passieren. Die Grenze zu Russland überqueren wir in der Nähe von Wolgograd (ehemals Stalingrad), wo wir zum ersten Mal seit einigen Tagen wieder in einem Hotelbett schlafen können. Und das ist gut so: Denn die letzte Etappe führt über Schotterpisten entlang der Wolga bis ins russische Astrakhan. Durchgerüttelt, aber überglücklich erreichen wir unser Ziel – und sind traurig, dass wir wieder zurück nach Deutschland fliegen müssen.“