XWORLD-Etappe 06: Unterwegs ins Reich der Mitte – von Bischkek nach Urumqi

Die sechste Etappe der XWORLD-Tour 2008/2009 führte von Kirgistan ins „Reich der Mitte“. Ein Reisebericht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die diesmal Umwege fahren mussten – aber dafür jetzt auch einen chinesischen Führerschein besitzen.

„Unsere Etappe der XWORLD-Tour startet von Bischkek aus – der Hauptstadt der Kirgisischen Republik. Eine beeindruckende Metropole mit knapp einer Million Einwohnern am Rande eines Gebirgszuges, der fast 5.000 Meter hoch ist. Beeindruckend auch das Verkehrsgefühl – trotz der schachbrettartig angelegten Straßen und breiten Boulevards ständig Staus, Gehupe; von der Feinstaub-Menge ganz zu schweigen...

 

So sind wir froh, als wir nach unserer Übernachtung unsere Fahrzeuge bei der örtlichen HANSA-FLEX-Niederlassung abholen können. Die Mitarbeiter geleiten uns aus der Stadt heraus – und wir fahren auf gut ausgebauten Asphaltstraßen zum Ysyk-Köl-Sees. Wir übernachten um Ufer des zweitgrößten Hochgebirgssees der Welt und nutzen die Gelegenheit für ein erfrischendes Bad im See.

 

Knappe 400 Kilometer liegen am dritten Tag vor uns – und sie sollen eine holprige Angelegenheit werden. Die ersten Kilometer bis nach Kochkor (einem kleinen gemütlichen Städtchen) führen uns noch über Asphaltstraßen. Von dort geht es weiter in Richtung unseres Etappenzieles Tash Rabat. Erste Herausforderung ist es, den 3.038 Meter hohen Dolon-Pass zu überqueren. Schneefrei ist er – doch die Straßenverhältnisse werden jetzt immer schlechter, bis wir auf Wellblechschotterpisten fahren und ordentlich durchgeschüttelt werden. Der Blick in die Landschaft entschädigt aber ausgiebig für die Strapazen: weite, grüne Ebenen, am Horizont begrenzt durch schneebedeckte Berge, die den blauen Himmel berühren.

 

Am Abend erreichen wir Tash Rabat – und müssen Eintritt in die Stadt bezahlen. Dafür kommen wir in den „Genuss“, vergorene Stutenmilch probieren zu dürfen, können eine Karawanserei besichtigen und übernachten in einer Jurte. Das wir sehr hoch sind und außerdem noch immer Frühling ist, merken wir nachts beim Blick aufs Thermometer: Minus 2 Grad Celsius zeigt es an; wir beheizen daher Jurte mit Kuhdung. Er brennt vorzüglich – hat aber auch einen nicht sonderlich angenehmen Geruch.

 

Am vierten Tag wollen wir Kirgistan verlassen und unser erstes Etappenziel in China erreichen: Kashgar. Eine Tour von nur etwa 250 Kilometern – doch von der reinen Fahrtzeit her wird es eine der längsten Etappen.

Zuerst kommen wir zügig voran: Von Tash Rabat fahren wir auf Schotterstraßen in die schneebedeckten Berge des Tian Shan Gebirges, überqueren den Ak-Beyit Passes in 3.280 Metern Höhe und gelangen schließlich zur kirgisischen Grenzkontrolle. Rund drei Stunden dauert es, bis wir weiterfahren können. Auf dem Turtugart-Pass erwarten uns dann bereits unsere chinesischen Guides, die alle nötigen Formalitäten auf der chinesischen Seite für uns arrangieren. Während sie sich um die erforderlichen Stempel bemühen, werden die Autos ausgiebig kontrolliert und unser Gepäck durchleuchtet. Endlich dürfen wir weiterfahren – und erreichen etwa zwei Fahrstunden später am Ende des Passes die nächste Grenzstation. Hier werden wir als Teilnehmer  gründlich überprüft und zur Sicherheit noch mal Einreise das Gepäck kontrolliert.

Insgesamt dauerte die Einreise nach China (ohne Fahrtzeit!) etwa fünf Stunden...

Nachdem endlich alle Formalitäten geklärt sind, können wir in Richtung Kashgar weiterfahren. Die einsamen Landschaften liegen hinter uns - plötzlich fahren wir entlang einer Allee und teilen uns die Straße mit Pferdegespannen, Radfahrern und vielen Fußgängern.  Am Abend erreichen wir erschöpft unser Etappenziel.

 

Nur um 20 Kilometer ändert sich der Tachostand unserer Landcruiser am kommenden Tag. Grund: Der chinesische TÜV muss unsere Fahrzeuge abnehmen, damit wir die chinesischen Fahrzeugzulassungen bekommen. Gleichzeitig erhalten wir unsere chinesischen Führerscheine, die für die Weiterfahrt vorgeschrieben sind. Ohne ortskundige Führer wären wir verloren gewesen. Wir machen an diesem Tag ein wenig Sightseeing und genießen die Oasenstadt Kashgar – leider wird die uigurische Altstadt zurzeit systematisch und rücksichtslos abgerissen und durch moderne Straßenzüge ersetzt.

 

Die erste Etappe auf chinesischem Boden ist auch die längste dieser Tour: 645 Kilometer liegen vor uns. Die Straßenverhältnisse sind sehr gut; recht blicken wir auf eine scheinbar endlose Steppe, zur linken Hand liegen die Ausläufer des Tian Shan-Gebirges. Hinter der Kleinstadt Aksu biegen wir ab auf die nördliche Seidenstraße, eine Nebenstrecke. Doch von „neben“ merken wir wenig – wir müssen sehr vorsichtig und umsichtig fahren: Die Menschen hier leben scheinbar auf den Straßen; es sind sehr viele Frauen, Männer und Kinder unterwegs, immer wieder begegnen uns Pferde und Ochsengespanne. Am Wegesrand eine Obstplantage nach der anderen. Am Abend erreichen wir das Tagesziel: Die Tausend-Buddha-Höhlen von Kizil. Sie sind einer der frühesten buddhistischen Felshöhlenkomplexe in China; die frühesten Höhlen wurden schon im 4. Jahrhundert nach Christi angelegt.

 

Der nächste Morgen beginnt mit einem Teammeeting: Eine Pass-Überquerung steht an – wir wissen aber nicht, ob wir dort durchkommen können oder nicht. Die Aussagen der lokalen Bevölkerung sind sehr unterschiedlich - eine klare Aussage bekommen wir nicht. Wir entschließen uns zum Abenteuer und wagen die Fahrt.

Unser Mut wird anfangs belohnt: Wir fahren durch wunderschöne Landschaft, der Weg schlängelt sich entlang eines Flusse immer weiter den Berg hoch. Zwischen durch immer wieder schwierige Passagen, wo durch Erdrutsche Teile der Straße weggebrochen sind oder Wassermassen die Straße weggerissen haben. Oben am Pass dann die traurige Überraschung: Ein Tunnel ist eingestürzt - wir müssen umdrehen.

Um 18 Uhr Abends sind wir wieder dort, wo wir schon morgens um 8.30 Uhr waren - schade! Wir fahren noch etwas weiter bis hinter Kuqa, befreien zwei Chinesen mit ihren Fahrzeugen aus dem Sand festgefahren und finden einen schönen Campplatz abseits der Straße.

 

Von hoch oben nach tief unten – am achten Tag führt uns unser Weg aus den Gebirgshöhen ins Turfanbecken. Wir fahren entlang der nördlichen  Seidenstraße, kommen gut voran und sind früh im Turfanbecken. 98 Meter unter dem Meeresspiegel liegt der tiefste Punkt des Beckens – und ist damit  (nach dem Toten Meer) die zweittiefste Senke der Erde und wahrscheinlich auch die heißeste. 44 Grad im Schatten messen wir (aber immer noch besser als Kuhdung verbrennen bei minus zwei Grad).

Gegen Abend erreichen wir die Stadt Turfan, die der Region den Namen gegeben hat. Beeindruckend: Die ehemalige Oase – heute eine Stadt mit über 250.000 Einwohnern - wird durch Jahrhunderte alte, unterirdische Kanäle bewässert. Sie führen Schmelzwasser aus dem Hochgebirge des Tianshan herbei. So können in der Region Melonen und Weintrauben angebaut werden. Letztere werden zu Rosinen getrocknet – und nicht zu Wein verarbeitet, da die Bevölkerung muslimischen Glaubens ist.

 

Am letzten Etappentag unserer XWORLD-Tour haben wir mächtig Gegenwind: Auf der Fahrt von Turfan nach Urumqi peitscht der Wind über die Steppe und die Autos kämpfen gegen ihn an. Mit offenen Fenstern fahren ist nicht möglich; wir vertrauen der Klimaanlage unser Toyota Landcruiser. Trotz der Wetter-Widrigkeiten: Die Etappe ist wunderschön. Rechts vor uns liegt das schneebedeckte Bogda-Shan Gebirge, links die Steppe. Entlang dieser Kulisse fahren wir auf Asphaltstraßen Provinzhauptstadt Urumqi – eine Metropole mit immerhin zwei Millionen Einwohnern. Hier heißt es für uns ‚Tschüß’: Unsere XWORLD-Tour ist an dieser Stelle zu Ende und wir fliegen zurück nach Deutschland.“