Etappe 38: Weites Sibirien

Die 38. Etappe der XWORLD-Tour führte weiter entlang der Transsibirischen Eisenbahn. Von Irkutsk, am einzigen Abfluss des Baikalsees gelegen, startete das Abenteuer in Richtung Omsk. Von fiesen Stechmücken, überraschend netten Polizisten, einem Getriebeschaden und eindringlichen Blicken von Lenin und Stalin berichtet ein Teilnehmer:

„Die Gäste werden am frühen Morgen abgeholt. Alle bis auf einen. Der hat Probleme bei der Einreise nach Russland. Visum und Einreisetag stimmen nicht überein.

Schließlich wird er dennoch ins Land gelassen. Lästige Bürokratie gibt es anscheinend überall und wir hoffen alle darauf, dass dies der letzte Kontakt zu den Behörden ist. Letztendlich sind wir am Abend vollzählig. In der Innenstadt essen wir gemeinsam zu Abend. Es gibt Sushi und Steaks. Wir nutzen die Zeit und besprechen den Reise und Routenverlauf.

Nach dem langen Flug waren wir alle froh ausschlafen zu können. Um 10.00 Uhr machen wir uns auf und erkunden Irkutsk. Währenddessen überwachte unser Guide bei Toyota den letzten Check der Autos. Am Abend fuhren wir auf halsbrecherische Art mit den örtlichen Taxis zum Abendessen – das erste Abenteuer auf der Tour.

Das ausgewählte Restaurant „NEP“ konfrontierte uns erstmals mit einer Speisekarte auf russisch und einer Restauranteinrichtung, die an alte Zeiten erinnert. Eine Bedienung, die in einem Kleid der Russischen Armee ihrer Arbeit nachging, hatten wir noch nie gesehen. Unter den Blicken von Lenin und Stalin, deren Büsten an der Wand verankert waren, genossen wir das Abendessen.

Am frühen Morgen beladen wir die Fahrzeuge. Auf asphaltierten Straßen fahren wir Richtung Baikalsee. Dabei kreuzen wir immer wieder die Schienen der Transsibirischen Eisenbahn. Den Baikal erreichen wir am frühen Mittag. Das obligatorische Baden im Baikalsee schaffen am diesen Tag nur zwei Teilnehmer, wobei beide dadurch nicht nur uns sondern auch die heimischen Bevölkerung belustigt. Auf der Weiterfahrt durch das Tunka Valley erwarten uns ungewohnte Hindernisse.

Die einheimischen Nutztiere versperren uns den Weg und nur durch beständiges Hupen und den ein oder anderen Abstecher durch die Sibirische Landschaft können wir Unfälle vermeiden. Auch die so genannte Kängeruh-Strecke verlangt uns alles ab. Schnell merken wir, wie großartig die Entscheidung war, die Stoßdämpfer vor dem Start an zwei Fahrzeugen ausgetauscht zu haben. Am Abend suchen wir stundenlang nach einer Unterkunft, doch ohne Erfolg.

Wir nehmen Abschied von dem Touristenort – ein Neun-Bettzimmer war uns dann doch etwas zu gewagt – und entschliessen uns am Fluss zu übernachten. Unser erste Campplatz entpuppt sich als perfekt: keine Mücken, Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und die Möglichkeit auf einem der sibirsichen Pferde zu reiten. Reinhard widmet sich der Küche und wird einstimmig zum Chef de Cuisine auf unserer Tour bestimmt. Bei Bier, Wein und Wodka geniessen wir den Abend.


Es folgt ein langer Fahrtag über den Baikalsee und Irkutsk auf der M 53 in Richtung Westen. Glücklicherweise machen wir noch einmal Halt in unserem Hotel in Irktusk und sammeln die Pässe von zwei Teilnehmern ein. Dieser kurze Stopp kostet uns wertvolle Stunden, so dass wir unser eigentliches Tagesziel knapp verfehlen. Im Camp ist der lange Fahrtag schnell vergessen und auch der einsetzende Regen macht uns noch keine Sorgen. In unserem großen Zelt hören wir den Regentropfen zu, während Max und Philipp sich unserem verrußten Kocher widmen. Und das mit erstaunlichem Erfolg – nach Ihrer Operation funktioniert er wie neu! Die beiden sind somit offiziell die Helden des Tages.

Am nächsten Morgen frühstücken wir bei Regen. Der anhaltende Niederschlag hat unseren Zufahrtsweg zum Camp in eine Schlammpiste verwandelt. Im Drift und mit Allradantrieb geht es zurück auf die Hauptstraße. Zumindest für die meisten. Wie in einem schlechten Film schafft es immer einer, sich die tiefsten Löcher herauszusuchen. Unter Mithilfe aller schaffen wir es, den Wagen wieder freizubekommen. Ein kleines Abenteuer am Rande und dementsprechend sehen unsere Fahrzeuge nun endlich so aus als wären wir auf der XWORLD-Tour.

Sind wir ja auch – also alles prima! Die „Rettungsaktion“ hat uns aber wieder viel Zeit gekostet, und so war schon früh für uns klar, dass es ein langer Fahrtag werden sollte. Zurück auf der M53 ging es weiter nach Krasnojarsk. Kurz vor der Stadt schreckt uns ein Funkspruch von zwei Teilnehmern auf. Sie haben Probleme mit Ihrem Wagen. In Krasnojarsk angekommen, fahren wir gleich zu Toyota und erwirken, dass wir dort den Wagen abstellen dürfen. Alles weitere wollen wir am nächsten Morgen klären. Im Hotel genießen wir erstmals nach zwei Tagen Camp wieder eine heiße Dusche. Gegen 24.00 Uhr fallen wir alle sehr müde ins Bett.

Recht schnell wird uns am Morgen bei Toyota klar, dass wir den Wagen nicht mehr weiter mitnehmen können. Wir müssen ihn hier vor Ort zurücklassen. Allerdings hoffen wir darauf, dass der Wagen in zwei Tagen wieder einsatzbereit ist und von uns abgeholt werden kann. Den ungewollten Ruhetag genießen wir trotzdem in der Stadt und beschließen, dass wir noch eine weitere Nacht in Krasnojarsk bleiben. Nach den zwei langen Fahrtagen ist dies eine willkommene Abwechslung.

Nach dem Frühstück hat uns die M53 wieder. Wir fahren entlang der endlosen Birkenwäldern nach Mariinsk. Als Verwaltungszentrum der Gulag Gefangenenlager erlangte die Stadt einen zweifelhaften Bekanntheitsgrad. Wir entdecken nichts sehnenswertes in der Stadt und entschließen uns, schnell weiter zu fahren. Am Abend erreichen wir die Leninsk Kuznetsky und unser Hotel. Da eine Hochzeitsgesellschaft das einzige annehmbare Restaurant in Beschlag genommen hat, bevorzugen wir im Hotel zu Essen.

Das Restaurant im Hotel entpuppt sich nicht gerade als eine noble Adresse für kulinarische Köstlichkeiten. Wir haben bei chinesischen Nudeln aber trotzdem unseren Spaß. Als uns gegen 22.00 Uhr sehr unmissverständlich klar gemacht wird, dass wir das Restaurant verlassen müssen, sind wir mehr als überrascht. Als wir uns auf dem Flur des Hotels treffen, um fast heimlich ein gemeinsames Bier zu trinken, fühlen wir uns wie auf einer Klassenfahrt. Die stets wachsamen Augen der Fluraufsicht unterstützen diesen Eindruck. Wir haben dennoch unseren Spaß und fallen zufrieden in unsere Betten.

Ein kurzes Frühstück am Morgen und schon sind wir wieder auf der Straße. Wir verlassen die Hauptroute, um ins Altaigebirge zu gelangen. Da es ein langer Fahrtag werden soll, entschliessen wir uns eine Abkürzung zu nehmen. Aus Asphalt wird Schotter, aus Schotter wird ein Waldweg und aus dem Waldweg wird ein matschiger Forstweg. Die in unserem russischen Straßenatlas eingetragene gelbe Strasse scheint doch keine Abkürzung zu sein. Bald halten uns russische Waldarbeiter an und erklären uns, dass die Straße noch viel schlechter wird und wir auf jeden Fall umkehren sollten. Obwohl wir hier auf Offroad-Tour sind, siegt die Vernunft und wir drehen um. Trotz der Nicht-Abkürzung erreichen wir rechtzeitig unser Camp in Chemal. Direkt am Fluss Katun schlagen wir unser Nachtlager auf.
Reinhards Küche enttäuscht uns an diesem Abend ein weiteres Mal nicht. Wir genießen den Abend am Lagerfeuer und blicken in eine sternklare Nacht.


Wir schlafen aus und starten etwas später in den Tag. Entlang des Katun Flusses fahren wir ein Stück zurück und erblicken immer wieder Hängebrücken, von denen wir eine überqueren müssen. Die durchtrennten Stahlseile und weitere Baumängel an der Brücke wirken nicht gerade vertrauenserweckend, halten uns aber nicht ab, die Querung zu riskieren. Für unseren Kameramann ein gefundenes Fressen, und wir sind alle sehr gespannt auf die Bilder.

Die Fahrt durch die Bergregion des Altai ist eine willkommene Abwechslung zu den vielen Kilometern entlang der M53 und durch die Weite Sibiriens. Am Abend erreichen wir den See Teletskoe. Wir schlagen unser Camp am Flussufer auf und machen ein Lagerfeuer.

Am frühen Morgen werden wir von Kühen und Pferden geweckt. Anscheinend haben wir auf der Weide der Tiere unser Camp aufgeschlagen. Die Tiere nehmen es gelassen und wir können trotz der anwesenden Gäste in aller Ruhe unser Frühstück einnehmen. Wir verlassen das Altaigebirge und fahren in Richtung Novosibirsk.

 

Dort kommen wir am Abend an. Als wir die Einfahrt des Hotels verpassen, wenden wir kurzer Hand unter der Augen der Polizei und werden daraufhin sofort angehalten. Uns wird mitgeteilt, dass wir in eine Einbahnstraße eingefahren sind und werden aufgefordert das sofort rückgängig zu machen. Erstaunlicherweise ohne Strafzettel dürfen wir weiterfahren.

Dies sollte auch unser einziger und letzter Kontakt zur Polizei gewesen sein. Wir sind alle erstaunt über diese Großzügigkeit. Ich hatte die Staatsmacht ganz anders in Erinnerung. Im Hotel genießen wir wieder eine heiße Dusche – purer Luxus. Zu Abend esse wir in einem Restaurant in der Nähe des Hotels.

Da uns heute ein kurzer Fahrtag erwartet, entschließen wir uns am Morgen, die Stadt zu besichtigen. Zu Fuß machen wir uns auf den Weg. Unser erstes Ziel ist das Opern und Ballet Theater von Novosibirsk.

 

Dieses Theater besticht durch seine Größe und soll noch größer sein als das große Bolshoi Theater in Moskau. Auf der davor liegenden achtspurigen Hauptstraße herrscht schon frühmorgendlicher Hauptverkehr.

Das hält Heinz nicht davon ab, sich mitten auf die Straße zu stellen, um eine ganz bestimmte Kameraeinstellung zu erhalten. Und hier möge einer sagen wir hatten kein Abenteuer. Gegen 11.00 Uhr machen wir uns auf den Weg Richtung Westen. Es ist unser vorletzter Fahrtag und er führt uns an den Chany See. Wir alle hegen die Hoffnung, im See zu baden und uns am Flussufer zu sonnen. Aber was für eine Überraschung: als wir am See ankommen, werden wir sofort von Millionen von Stechmücken angefallen.

Das Kochen gestaltet sich als schwierig und selbst das Essen wird ein Risikospiel. Ungewollte Fleischeinlage nicht ausgeschlossen. Spaß ist etwas anderes. Nachdem sich ein Teilnehmer erleichtert hat, zählt er 155 Mückenstiche  nur an den Beinen! Erstaunlicherweise verziehen sich die Mücken, als alle in den Zelten liegen und die letzten noch Nachtwache halten. Wir sind gespannt wie es am nächsten Morgen wohl sein wird.

Als wir am nächsten Morgen aus den Zelten kriechen, geht die Tortur weiter. Sofort sind wir wieder von unzähligen Mücken umgeben. Einziger Vorteil: Wir alle sind hochmotiviert, schnellst möglich unsere Zelte abzubauen. Fünf Minuten und gefühlte 1000 Mückenstiche später, sitzen wir mit verstauten Zelten in den Autos. Wir wollen diesen Ort so schnell wie nur irgend möglich verlassen. Das Frühstück nehmen wir unterwegs in einem Straßencafe ein. Gegen 13.00 Uhr erreichen wir Omsk und sind froh, unsere Wunden im Hotel zu pflegen. Am Nachmittag gönnen wir uns alle eine Pause. Am Abend genießen wir das Abendessen direkt am Irtysh und sind froh, ohne große Schwierigkeiten bis hierher gekommen zu sein.

Am späten Vormittag des nächsten Tages machen wir uns auf, die Stadt zu besichtigen. Wir begegnen mehreren Hochzeitspaaren und stellen überrascht fest, dass Freude am eigentlich schönsten Tag des Leben, sich in Russland anders zeigt als bei uns. Wir besichtigen das Kriegsmuseum in Omsk und sind beruhigt, dass die alten Panzer im Hof keinen Schaden mehr anrichten können. Dennoch wird uns klar, wie präsent die letzten Kriege hier noch sind.


Am Nachmittag fahren wir auf einem Ausflugsdampfer den Irtysh entlang und sehen die Stadt Omsk aus einem ganz anderen Blickwinkel.


Das letzte gemeinsame Abendessen genießen wir in vollen Zügen – morgen heißt es Abschied nehmen von der unendlichen Weite Sibiriens. Außer dem defekten Fahrzeug in Krasnojarsk (Getriebeschaden, das Fahrzeug ist allerdings noch rechtzeitig nach Omsk gekommen) und den 155 Mückenstiche, sind wir ganz gut durchgekommen.